Innovative Gehstöcke: Mehr als eine Stütze

Karin Pütz
Karin Pütz16.4.2025 • Lesedauer: 4 Min.
Innovative Gehstöcke: Mehr als eine Stütze

Gehhilfen – oft der Einstieg in die Welt der Hilfsmittel

3,5 Millionen Menschen sind in Deutschland auf Gehhilfen unterschiedlicher Art angewiesen. Für viele sind Gehstöcke der Einstieg in die Welt der Hilfsmittel. Sie unterstützen beim Gehen, gleichen Gangunsicherheiten und Gleichgewichtsprobleme aus. Manche Gehstöcke sind speziell für den Gebrauch im Haus oder in engen Wohnungen geeignet, andere für den Einsatz im Freien gedacht. Doch egal, welche Gehstöcke zum Einsatz kommen, immer bedeuten sie für die Betroffenen ein Plus an Lebensqualität. – Aber was für Gehstöcke gibt es überhaupt? Für wen eignen sie sich? Und wie werden Neuheiten entwickelt? Um dies zu klären, habe ich mit Ruth Temmen (Leitung Marketing) und Boris von Swieykowski-Trzaska (Leitung Vertrieb) bei der Ossenberg Unternehmensgruppe gesprochen – einem der führenden deutschen Hersteller von Unterarmgehhilfen, Handstöcken und orthopädischen Hilfsmitteln.

Das Interview

Wofür steht die Ossenberg GmbH?

Unser Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen zu verbessern, die eine Einschränkung haben, indem wir ihnen ein Höchstmaß an Mobilität und Unabhängigkeit ermöglichen. Wir möchten sie mit unseren Hilfsmitteln begleiten – egal, ob kurz- oder langfristig und so an einer positiven Lebensfreude mitwirken. Sie sollen an allem teilhaben können – auch zum Beispiel an Familienunternehmungen und Urlauben.

Wie groß ist das Spektrum an Gehstöcken, das ihr anbietet?

Im Bereich Gehstöcke gibt es fast nichts, was es nicht gibt. Wir haben beispielsweise Gehstöcke für Rechts- oder Linkshänder, Gehstöcke mit ganz unterschiedlichen Griffen oder Gummikapseln, aus unterschiedlichen Materialien (etwa Holz, Leichtmetall und Carbon) und solche, die faltbar sind, die also in jede Handtasche passen und bei Bedarf hervorgeholt werden können. Wieder andere Gehstöcke sind speziell für den Wohnungsbereich konzipiert, andere für Outdoor-Aktivitäten.

Materialien und technische Möglichkeiten entwickeln sich ständig weiter. Wie werdet ihr auf Innovationen aufmerksam, die zu euch passen und die ihr dann in euer Sortiment aufnehmt?

Wir entwickeln unsere Produkte kontinuierlich weiter und sind immer an Innovationen interessiert. Wie wir auf interessante Neuerungen aufmerksam werden, das kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen. Manchmal ist es ein Patient, der uns anschreibt, jemand, der ein Produkt getestet oder es einfach genutzt hat, weil er darauf angewiesen ist. Der Patient schlägt dann zum Beispiel vor, den Handgriff zu verbessern, ein anderes Material zu verwenden oder einen breiteren Griff. Für solche Hinweise sind wir sehr dankbar. Wir setzen uns dann hin und überlegen, wie kann man das umsetzen. Außerdem gehen wir natürlich auch auf Messen und behalten im Auge, in welche Richtung die Entwicklungen im Ausland gehen. Darüber hinaus arbeiten wir mit Universitäten zusammen und machen mit einigen von ihnen Kooperationen. So haben wir letztes Jahr zum Beispiel eine Studentenarbeit als Auftraggeber begleitet. Dabei ging es darum, die klassische Unterarmgehhilfe weiterzuentwickeln – und zwar sowohl das Design als auch die Funktionalität betreffend. Nach sechs Monaten haben wir uns die Ergebnisse vorstellen lassen. Manche Produkte kommen auf diese Weise dann irgendwann zur Marktreife.

Ihr habt Gehhilfen aus den unterschiedlichsten Materialien bei euch im Sortiment. Einige sind schwerer, andere leichter. Welche Gehhilfen sind für welche Patienten geeignet?

Pauschal kann man das nicht beantworten. Es ist immer eine subjektive Entscheidung. Dabei spielen verschiedene Dinge eine Rolle. Was mag ich lieber? In welchem Stadium einer gesundheitlichen Problematik oder Erkrankung befinde ich mich gerade? Brauche ich nur ein bisschen Stabilität oder eher eine schwerere Unterarmgehhilfe, die mir ein starkes Gefühl von Sicherheit gibt? Deshalb sind das Ausprobieren und die individuelle Beratung bei Gehstöcken ganz besondes wichtig. Ebenso spielt die Belastbarkeit der Hilfsmittel eine wichtige Rolle. Wir haben Gehhilfen mit einer Belastbarkeit von 35 Kilogramm bis 325 Kilogramm im Portfolio.

Wie stellt ihr euch die Zukunft der Hilfsmittel vor? In welche Richtung sollten sie sich eurer Meinung nach entwickeln?

Wir wünschen uns, dass betroffene Menschen schon früher zum Hilfsmittel greifen. Oft ist da immer noch eine gewisse Hemmschwelle im Kopf. Betroffene, die eigentlich eine Gehhilfe gebrauchen könnten, denken gar nicht mal so selten: ‘Wenn ich einen Stock benutze, wenn mich andere damit sehen, dann werde ich als alt und krank wahrgenommen.’ Weil sie das nicht wollen, schrecken sie oft zu lange davor zurück, sich beraten und helfen zu lassen. Dabei wäre es doch viel besser, zu sagen: Wow, super! Der Gehstock – oder was auch immer – er hilft mir, meinen Alltag wieder unabhängig und aktiv zu gestalten und einfach mehr Freude zu haben. Außerdem haben sich die Gehhilfen mittlerweile auch vom Design her erheblich verändert. Der Kunde hat die Wahl zwischen unterschiedlichen Farben, und es gibt nahezu unendlich viele Möglichkeiten ein Hilfsmittel so zu individualisieren, dass es vom Gefühl her wirklich zu einem gehört. Für eine Kundin haben wir zum Beispiel einmal einen pinken Gehstock mit Glitzersteinen angefertigt.

Ihr lasst einige Gehhilfen auch in einer Behindertenwerkstatt produzieren. Wie seid ihr darauf gekommen und was steckt dahinter?

Für uns schließt sich damit ein Kreis. Menschen mit Beeinträchtigungen stellen Produkte oder Hilfsmittel für Menschen mit Beeinträchtigungen her. Natürlich werden die gleichen Qualitätsstandards erfüllt wie bei unseren anderen Produkten auch. Aber es ist einfach schön, dass wir dazu beitragen können, dass Menschen mit einem körperlichen oder geistigen Handicap noch ein bisschen mehr am allgemeinen sozialen Leben teilnehmen können, indem sie arbeiten und ein Medizinprodukt herstellen, das wir dann an unsere Kunden weitergeben.

Mitarbeiterin bei joviva, Karin Pütz, Content Writerin

Karin Pütz

Karin Pütz arbeitet als Journalistin und Autorin für verschiedene deutsche Verlage und Fernsehsender. Neben wissenschaftlich-medizinischen Fachbüchern, die in enger Zusammenarbeit mit Ärzten entstanden sind, hat sie Biografien (von Prominenten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens) sowie Kinderbücher veröffentlicht. Darüber hinaus verfügt sie über langjährige Erfahrung als Redakteurin im News-, Wissenschafts- und Magazinbereich.

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