Gangunsicherheit: Erkennen, verstehen und behandeln
Einleitung
Stell dir vor, du gehst einen vertrauten Weg entlang und plötzlich fühlst du dich unsicher, deine Schritte wanken, und es fällt dir schwer, das Gleichgewicht zu halten. Diese Gangunsicherheit kann Menschen jeden Alters betreffen und kann viele Ursachen wie Kreislaufprobleme, neurologische Erkrankungen oder muskuläre Schwächen haben. Nun gilt es herauszufinden, ob es sich um eine einmalige Gleichgewichtsstörung handelt, oder ob eine ernsthafte Erkrankung hinter deinen Gehproblemen steckt.
In den folgenden Abschnitten erfährst du mehr darüber, wie du Gangunsicherheit und Gangstörungen erkennst sowie über mögliche Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten.
Gangunsicherheit beschreibt eine Instabilität beim Gehen, der meist eine Gangstörung zugrunde liegt. Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungs- oder Nervensystems, aber auch Medikamente und Altersschwäche können eine Gangstörung auslösen.
Suche einen Arzt auf, wenn du bei dir Probleme wie Gleichgewichtsstörungen oder Schwindel bemerkst. Manchmal fällt auch den Angehörigen eine Veränderung im Gangbild auf.
Der Arzt erhält über deine Krankheitsgeschichte und die Analyse des Gangbilds Hinweise, um welche Gangstörung es sich handeln könnte.
Gangstörungen können vorübergehend oder dauerhaft sein. Häufig muss die auslösende Erkrankung behandelt werden, damit sich die Gangstörungen bessern.
Sturzprävention, Physiotherapie und Hilfsmittel wie Rollatoren oder Gehstöcke helfen, den Alltag mit einer Gangstörung besser zu meistern.
Definitionen von Gangunsicherheit und Gangstörung
Die Gangunsicherheit bezieht sich allgemein auf ein Gefühl der Unsicherheit oder Instabilität beim Gehen. Dies kann durch verschiedene Faktoren hervorgerufen werden, wie z.B. schwache Muskeln, Gleichgewichtsprobleme oder andere gesundheitliche Einschränkungen. Bei älteren Menschen ist die Gangunsicherheit häufig mit Gebrechlichkeit und Altersschwäche verbunden. Seh- und Hörprobleme verstärken zudem die Unsicherheit beim Gehen. Aber auch junge Menschen können an Gangunsicherheit leiden, sei es durch eine Erkrankung oder durch die Einnahme bestimmter Medikamente. Am bekanntesten ist wohl ein zu hoher Konsum von Alkohol, der kurzfristig das Gangbild massiv beeinflussen kann. Auch wenn du nach einer Operation zum ersten Mal wieder aufstehen musst, wirst du dich eventuell sehr unsicher auf deinen Beinen fühlen.
Eine Gangstörung beschreibt die krankhaften Veränderungen in der Art und Weise, wie eine Person geht. Dies kann die Ganggeschwindigkeit, das Gangmuster oder beides betreffen. Die Bandbreite der Symptome reicht von leichtem Humpeln bis zu erheblichen Gehbehinderungen. Ursachen für Gangstörungen können vielfältig sein – sie reichen von neurologischen Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose oder Parkinson) über orthopädische Probleme (z.B. Gelenkverletzungen oder Rheuma) bis hin zu internistischen Ursachen und psychogenen Faktoren. Vor allem dauerhafte Gangstörungen können erhebliche Auswirkungen auf Mobilität und Lebensqualität haben, weshalb eine genaue Diagnose und Behandlung durch einen Arzt unerlässlich ist.
Erkennen der verschiedenen Arten von Gangstörungen
Gangstörungen können sich in vielfältiger Weise äußern – von einer leichten Unsicherheit über Gleichgewichtsstörungen beim Gehen bis hin zu erheblichen Beeinträchtigungen, die das Gehen fast unmöglich machen.
Hinken
Hinken ist eine Gangstörung, die durch ein ungleichmäßiges oder abnormales Gehen auffällt. Betroffene haben Schwierigkeiten, einen gleichmäßigen und symmetrischen Gang aufrechtzuerhalten, was oft zu einem sichtbaren „Humpeln“ führt. Als dauerhafte Ursachen kommen z.B. die spastische Hemiparese oder unterschiedlich lange Beine infrage. Vorübergehendes Hinken kommt u.a. bei Verletzungen des Sprunggelenks oder Reizungen des Ischiasnervs vor.
Beim sogenannten Duchenne-Hinken kommt es zu einem typischen Watschel- oder Entengang. Beim Gehen bewegt sich das Becken auf der Seite des betroffenen Beins nach unten. Dies führt zu einem schaukelnden, leicht schwankenden Gang. Um das Gleichgewicht zu halten, neigen Betroffene ihren Oberkörper auf die Seite des Standbeins, was die seitliche Beckenbewegung noch verstärkt. Die Schritte sind kurz und instabil.
Mediziner unterscheiden eine weitere Sonderform, das sogenannte intermittierende Hinken. Hierbei handelt es sich nicht um ein sichtbares Humpeln, sondern um das Einlegen von Pausen nach einer längeren Gehstrecke oder bei kurzer körperlicher Anstrengung. Grund für die ungeplanten Zwischenstopps sind krampfhafte Schmerzen in den Beinen, die z.B. durch die periphere Verschlusskrankheit oder die lumbale Spinalkanalstenose ausgelöst werden.
Kleinschrittiger Gang
Einen kleinschrittigen Gang erkennst du an den sogenannten Trippelschritten. Diese Gangstörung tritt häufig in Verbindung mit dem Parkinson-Syndrom auf. Begleitend zu den Trippelschritten schwingen die Arme kaum mit, was die ganze Körperhaltung starr wirken lässt. Manchmal scheinen die Füße beim Drehen des Körpers wie am Boden festgeklebt. Ein erneuter Beginn des Gehens wirkt zögerlich und langsam.
Schiebergang
Betroffene schieben beim Gehen das Becken nach vorne, um Schmerzen in der Hüfte und im unteren Rücken zu lindern. Der Körper ist leicht nach vorne geneigt, um die Belastung auf die Wirbelsäule zu verringern. Das Gangbild ist zum Beispiel typisch für einen Morbus Bechterew.
Steppergang (Storchengang)
Durch einen Fallfuß wird das betroffene Bein durch eine stärkere Bewegung der Hüfte und des Knies stärker angehoben. Die beim Fallfuß herabhängende Fußspitze schleift somit nicht am Boden. Die Ursachen für einen Fallfuß sind meist im neurologischen Bereich zu finden.
Ataktischer Gang
Ein ataktischer Gang ist durch unsichere und unkoordinierte Bewegungen geprägt. Die Fortbewegung wirkt torkelnd und ungleichmäßig. Betroffenen fällt es schwer, geradeaus zu laufen. Häufig driften sie zu einer Seite ab. Der ataktische Gang ist typisch für Störungen des Kleinhirns oder anderer Teile des Nervensystems, die die Bewegungskoordination steuern.
Ursachen von Gangunsicherheit
Gangunsicherheit, Gang- und Gleichgewichtsstörungen können verschiedene Ursachen haben.
Neurologische Ursachen:
Schädigungen des Nervensystems wie Lähmungen des peripheren Nervensystems, Hirntumore oder Schlaganfälle
Hirnblutungen oder Verletzungen des Rückenmarks
neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson
funikuläre Myelose (ausgelöst durch Vitamin-B12-Mangel)
Auswirkungen von Alkohol- und Drogenkonsum
Orthopädische Ursachen:
Verletzungen und Erkrankungen der Knochen, Gelenke, Muskel, Sehnen und Bändern wie z.B. Bandscheibenvorfall, Arthrose, Arthritis oder Rheuma
Zustand nach Operationen wie z.B. der Wackelgang nach Hüft-OP
Internistische Ursachen:
Durchblutungsstörungen wie z.B. die „Schaufensterkrankheit“
schlechter allgemeiner Gesundheitszustand
niedriger Blutdruck
Schwindel
Wechsel- und Nebenwirkungen von Medikamenten:
Medikamente wie opioidhaltige Schmerzmittel, Narkotika, Beruhigungsmittel, Neuroleptika und Blutdrucksenker können Gangstörungen verursachen.
Ältere Menschen leiden häufig an mehreren Erkrankungen gleichzeitig, die mit Medikamenten behandelt werden müssen. Es kann dadurch zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen, die den Gang beeinträchtigen. Vor allem bei Schwindel lohnt sich ein Blick auf den Medikationsplan.
Angstbedingte Ursachen:
Ängste und Depressionen können sich auch auf das Gangbild auswirken. Vor allem ältere Menschen mit Gangstörung haben Angst vor Stürzen. Das fehlende Vertrauen in die eigene Gehsicherheit trägt zur fortschreitenden Verschlechterung des Gangbilds bei.
Diagnose von Gangunsicherheit
Zur Diagnose einer Gangstörung sammelt der Arzt möglichst viele Informationen, um die Ursache zu finden. Dabei geht er so vor:
Anamnese
Der Arzt befragt dich zu deinen Symptomen und macht sich ein Bild über deine bisherige Krankengeschichte. Eventuell gibt es eine Vorerkrankung, die mit der Gangstörung bzw. einer Gangunsicherheit in Verbindung stehen könnte.
Analyse des Gangbilds
Der erste Schritt besteht darin, dein spontanes Gangbild genau zu betrachten. Der Arzt achtet dabei auf folgende Punkte:
Schrittweite: Sind die Schritte gleichmäßig und ausreichend weit auseinander?
Schrittgeschwindigkeit: Ist die Gehgeschwindigkeit normal oder verlangsamt?
Bewegung beim Start und Anhalten: Hat der Patient Probleme, sich in Bewegung zu setzen oder zum Stillstand zu kommen (Starthemmung bzw. abruptes Stoppen)?
Bodenkontakt und Abrollen der Füße und Zehen: Berühren die Füße sicher den Boden und werden sie beim Gehen korrekt abgerollt?
Bewegung in den großen Gelenken: Sind Hüfte, Knie oder Fußgelenke ausreichend beweglich für ein flüssiges Gehen?
Fußwinkel: Rotieren die Füße beim Gehen nach innen oder außen?
180°-Wende: Wie viele Schritte benötigt der Patient, um sich zu drehen? Gibt es dabei Auffälligkeiten?
Überprüfung des Gangs unter erschwerten Bedingungen
Um mögliche Lähmungen oder Schwächen aufzudecken, die beim normalen Gehen nicht sichtbar sind, führt der Arzt weitere Tests durch:
Seiltänzergang: Der Patient wird gebeten, einen Fuß direkt vor den anderen auf eine gedachte Linie zu setzen, ähnlich einem Seiltänzer. Dies hilft, Gleichgewichts- und Koordinationsprobleme zu erkennen.
Zehengang: Der Patient läuft auf den Zehenspitzen, um die Kraft und Kontrolle der Wadenmuskulatur sowie das Gleichgewicht zu überprüfen.
Hackengang: Der Patient läuft auf den Fersen, um die Stärke und Kontrolle der vorderen Unterschenkelmuskulatur zu testen.
Weitere Tests
Nachdem der Arzt festgestellt hat, welche Art von Gangstörung vorliegt, folgen weitere gezielte Untersuchungen, um die zugrunde liegende Krankheit zu diagnostizieren:
Laboruntersuchungen von Blut oder Nervenwasser
Bildgebende Verfahren wie MRT und CT, um organische Ursachen festzustellen
Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, Untersuchung der Muskelfunktion (EMG) oder Aufzeichnung der Hirnströme (EEG)
Behandlungsoptionen verschiedener Gangunsicherheiten
Die Therapie von Gangstörungen richtet sich maßgeblich nach der Grunderkrankung. Bei älteren Menschen tritt meist eine Kombination verschiedener Störungen auf, wie z.B. Muskelschwäche, Gelenkschäden, neurologische Erkrankungen und Beeinträchtigungen der Hirnfunktionen. In solchen Fällen ist eine ganzheitliche Behandlungsstrategie erforderlich, die mehrere Therapieansätze miteinander kombiniert.
Behandlungsoptionen im Überblick
Medikamentöse Behandlung: Falls möglich, wird die Grunderkrankung, die zur Gangunsicherheit führt, mit entsprechenden Medikamenten behandelt.
Physiotherapie: Durch gezielte Übungen wird die Muskulatur gestärkt und die Beweglichkeit verbessert.
Gangschule: Diese Maßnahme dient dazu, die Gangsicherheit zu erhöhen und die Hirnfunktionen zu unterstützen.
Sturzprävention: Beratung und spezielle Übungen helfen dabei, das Risiko von Stürzen im Alltag zu verringern.
Körperliches Training: Regelmäßige Übungen stärken die Muskulatur und verbessern das Gleichgewicht.
Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen kann eine Operation notwendig sein, um die Ursache der Gangstörung zu beheben.
Anpassung von Sehhilfen: Die Korrektur von Sehschwächen durch angepasste Sehhilfen erhöht die Sicherheit beim Gehen.
Überprüfung der Medikation: Regelmäßige Checks der Medikamente sorgen dafür, unerwünschte Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zu vermeiden.
Verordnung von Hilfsmitteln: Je nach Schwere der Gangstörung können Gehstöcke, Rollatoren, aber auch Rollstühle im Alltag unterstützen.
Tipps für den Alltag mit Gangunsicherheit
Gangunsicherheit kann den Alltag erheblich beeinträchtigen. Doch mit einigen einfachen Maßnahmen und Hilfsmitteln lässt sich die Sicherheit verbessern und die Lebensqualität steigern.
Training und Übung: Führe Eigenübungen durch, um dein Gleichgewicht und deine Gangsicherheit zu verbessern. Halte vor dem Trainingsstart Rücksprache mit deinem Arzt, welche Übungen für dich geeignet sind.
Gehhilfen: Verwende nach Bedarf Gehstöcke, Rollatoren oder Rollstühle, um deine Mobilität und Sicherheit im Alltag zu erhöhen. Sie ermöglichen dir eine sichere Fortbewegung, sodass dich die Gangunsicherheit nicht davon abhält, am sozialen Leben teilzunehmen.
Sichere Wohnung: Beseitige Sturzfallen wie lose Teppiche und sorge für eine gute Beleuchtung in allen Räumen.
Geeignetes Schuhwerk: Trage feste, rutschfeste Schuhe, um Stabilität und Sicherheit beim Gehen zu erhöhen.
Handläufe und Haltegriffe: Installiere Handläufe und Haltegriffe in Bereichen wie Badezimmern und Treppen, sie bieten zusätzlichen Halt.
Fazit
Gangunsicherheit und Gangstörungen können durch eine Vielzahl von Ursachen entstehen, darunter neurologische und orthopädische Erkrankungen, Durchblutungsprobleme und Nebenwirkungen von Medikamenten. Eine sorgfältige Diagnose und gezielte Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung sind entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Bei dauerhaften Gangstörungen helfen Hilfsmittel wie Rollatoren und Gehstöcke, damit du dich im Alltag sicher fortbewegen kannst.
Oft gefragt
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