Wenn der Beruf zur Berufung wird – ein Interview
)
)
Das Gegenteil von langweilig
Sanitätshausmitarbeiter – das klingt für dich im ersten Moment nicht sonderlich interessant? Ein großer Irrtum! Denn jeden Tag wird im Sanitätshaus Menschen geholfen. Das Spektrum der Aufgaben ist riesig, der Bedarf an Hilfsmitteln gewaltig und die Beratung extrem verantwortungsvoll. Immer steht dabei der Mensch im Mittelpunkt, der aus welchen Gründen auch immer ein Hilfsmittel braucht. Ziel ist es, ihm zu möglichst viel Eigenständigkeit und Mobilität zu verhelfen und damit zu mehr Lebensfreude. Grund genug, verstaubte Vorurteile zu verabschieden und mehr über die Arbeit in dieser Branche zu erfahren.
Deshalb habe ich das Sanitätshaus Burbach + Goetz in Koblenz (Spezialgebiet Reha-Technik wie Rollstühle und Gehhilfen) besucht, wo mir Medizinproduktberater Markus Dietzler Rede und Antwort gestanden hat.
)
Persönliche Einblicke
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Ich persönlich arbeite im Außendienst, besuche in erster Linie Seniorenheime und Pflegeeinrichtungen und versuche, dafür zu sorgen, dass die Menschen dort das für ihren speziellen Fall jeweils beste Hilfsmittel bekommen. Ich kläre über Anpassungsmöglichkeiten auf und zeige die Handhabung. Andere Kollegen kümmern sich um die Beratung in Krankenhäusern, Kliniken und Arztpraxen.
Eine sehr individuelle Angelegenheit
Was ist für Sie das wertvollste Hilfsmittel bei Ihnen im Sanitätshaus?
Für mich ist das wertvollste Hilfsmittel immer genau jenes, das der Kunde, der zu mir kommt, gerade braucht. Wenn er eine Greifzange benötigt, damit er etwas vom Boden aufheben kann, dann ist das auch für mich in diesem Moment das wertvollste Hilfsmittel. Steht vor mir ein Kunde, der eine Treppe mit einem Elektrorollstuhl hochfahren möchte, dann ist eben das das wertvollste Hilfsmittel. Tatsächlich sind es aber oft die ganz kleinen Dinge, bei denen Kunden Unterstützung brauchen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, eine Gabel zu halten, um etwas zu Essen. Für diese Menschen ist es ein großes Plus an Lebensqualität, wenn sie dafür nicht um Hilfe bitten müssen.
)
Die Frage nach dem Warum
Warum sind Sie Medizinproduktberater geworden? Was war und ist Ihre Motivation?
Das Humanitäre an meiner Arbeit bedeutet mir sehr viel. Mit dem Dienst an Menschen mein Geld zu verdienen – das ist für mich die sinnvollste Art und Weise, wie man Geld verdienen kann. Ich möchte anderen Menschen helfen, mich für sie einsetzen. Es ist ein gutes Gefühl, genau das Hilfsmittel zu finden, das jemandem wirklich hilft. Sich Zeit zu nehmen für den direkten Kundenkontakt und am Ende des Tages das Gefühl zu haben, etwas Sinnvolles geleistet zu haben – das erfüllt mich.
Oft will man mehr als möglich ist
Welche Situationen in Ihrem Beruf empfinden Sie als besonders herausfordernd?
Wir haben es hier im Sanitätshaus leider auch immer mal wieder mit Kunden zu tun, die manchmal noch sehr jung sind, aber zum Beispiel eine schwerwiegende Diagnose wie ALS bekommen haben und deren Lebenserwartung dann eventuell nicht sehr hoch ist. Das macht dann schon etwas mit mir und geht mir nah. Man möchte oft mehr tun, als man kann. Aber wir können natürlich nur schauen, dass wir die Jahre, die die jeweilige Person noch hat, so angenehm wie möglich gestalten. Da trage dann natürlich nicht nur ich zu bei, indem ich ein möglichst optimales Hilfsmittel liefere. Es muss außerdem das Umfeld passen, die Pflege, die Wohnsituation. Wir als Sanitätshausmitarbeiter können nur einen Teil beitragen. Aber oft ist es genau dieser Teil, der einen großen Unterschied macht.
Auch mit Rollstuhl kann man aktiv sein
Das Sanitätshaus Burbach + Goetz ist spezialisiert auf Rehatechnik wie Rollstühle und Gehhilfen. Welche Besonderheiten an Rollstühlen haben Sie?
Zuggeräte für Rollstühle, das ist natürlich eher für die gedacht, die etwas jünger sind, die vielleicht nach einem Unfall nicht mehr Fahrrad fahren können. Die Zuggeräte werden an sogenannte Adaptivrollstühle regelrecht angeklemmt, und dann ist das wie eine Mischung aus Motorrad und E-Bike. Dann kann man ohne eigene Kraftunterstützung auch lenken. Die Räder variieren – je nachdem, wo der Kunde unterwegs sein will – also im städtischen Bereich oder im Outdoor-Bereich. Oder ist eine Urlaubsreise geplant, bei der die Bodenbeschaffenheit sehr verschieden sein wird? – Man möchte den Kunden natürlich so bedienen, dass er sein Leben möglichst noch in vollen Zügen genießen kann. Ein Höchstmaß an Lebensqualität zu ermöglichen, das ist immer unser Ziel.
)
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt
Stellen Sie sich vor, alles wäre möglich. Die Erfindung welches Hilfsmittels würden Sie sich dann wünschen? In welche Richtung sollte sich die Sanitätshausbranche entwickeln?
Mein erster Gedanke ist der „schwebende Rollstuhl“, das wäre eine wirklich gute Erfindung. Für Betroffene gäbe es keine Einschränkungen mehr, es würde echte Barrierefreiheit herrschen. Doch das ist Science-Fiction, das wird es wohl so schnell nicht geben. Aber Hilfsmittel sollten immer leichter werden, das ist ein realistisches Ziel. KI-Unterstützung, autonomes Fahren bei Elektro-Rollstühlen zum Beispiel, das ist jetzt nicht mehr nur Science-Fiction. Irgendwo muss man da natürlich eine Grenze setzen, aber die Entwicklung geht ja schon immer mehr in diese Richtung, dass beispielsweise der Antrieb des Rollstuhls mit einer App vernetzt wird und er darüber dann auch gesteuert werden kann.
Den Unterschied machen
Was ist der Grund dafür, dass Sie Ihren Job auch nach 14 Jahren immer noch gerne ausüben?
Für mich stehen das Menschliche und die Ehrlichkeit im Vordergrund. Ja, ich glaube, dass ich auch genug Empathie besitze, um diese Arbeit zu machen. Es ist einfach meins. Jeden Tag erlebe ich, welchen Unterschied unsere Arbeit für Menschen macht. Ich frage mich immer: Was bringt unsere Arbeit dem Kunden wirklich? Und ich glaube, in kaum einem anderen Beruf ist der direkte Nutzen so greifbar wie im Sanitätshausbereich.
:quality(50))
Karin Pütz
Karin Pütz arbeitet als Journalistin und Autorin für verschiedene deutsche Verlage und Fernsehsender. Neben wissenschaftlich-medizinischen Fachbüchern, die in enger Zusammenarbeit mit Ärzten entstanden sind, hat sie Biografien (von Prominenten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens) sowie Kinderbücher veröffentlicht. Darüber hinaus verfügt sie über langjährige Erfahrung als Redakteurin im News-, Wissenschafts- und Magazinbereich.
Die geschilderten medizinischen Sachverhalte sind nicht oder nur bedingt als Ratschläge oder Empfehlungen zu verstehen und ersetzen in keinem Fall den Besuch bei einem Arzt, in einem Sanitätshaus oder die eigene sorgfältige Recherche. Für die Inhalte verlinkter Internetseiten sind ausschließlich die jeweiligen Betreiber bzw. Verfasser verantwortlich. Veröffentlichte Bilder stellen das Eigentum des Verfassers dar. Zwecks optimierter Lesbarkeit wird in der Regel die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist dabei selbstverständlich – wenn sinnvoll – eingeschlossen.