Inkontinenz – nach der OP zurück ins Leben
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Fast verlor ich meine Lebensfreude
Laut Robert Koch-Institut sind bundesweit rund zehn Millionen Menschen (mehr Frauen als Männer) von Inkontinenz betroffen. Dennoch reden nur die wenigsten darüber. Tatsächlich ist die Angst, sich zu offenbaren, bei vielen Betroffenen riesig. Nur jeder fünfte von ihnen geht überhaupt zum Arzt. Die Folgen können von schambedingter Isolation bis hin zu Depressionen reichen. Das muss sich ändern! Inkontinenz darf nicht länger ein Tabuthema sein. Claudia J. (59), hat mir ihre Geschichte erzählt:
Von einem Moment auf den anderen war alles anders
Vor ungefähr zehn Jahren fing es bei mir an. Ich musste nur abrupt aufstehen, schon spürte ich, wie ich plötzlich Urin verlor. Auch beim Husten, Niesen oder einfach beim Treppensteigen konnte es jederzeit passieren – und das, obwohl ich gar keinen Harndrang verspürte. Heute weiß ich: Dies sind klassische Symptome einer Belastungsinkontinenz, manchmal auch Stressinkontinenz genannt. Ich war irritiert, verunsichert und beschämt. Was war plötzlich los mit mir? Wieso konnte ich meine Blase nicht mehr kontrollieren?
Habe die Wahrheit lange verdrängt
Zunächst einmal redete ich nicht über die Vorkommnisse. Mit niemandem. Ich verdrängte das Problem und hoffte, es würde von selbst verschwinden – obwohl ich längst ahnte, dass dies nicht der Fall sein würde. Klar, eine Blasenentzündung hat jede von uns schon mal gehabt. Aber das hier war anders. Es gab weder eine Entzündung noch eine Reizung meiner Blase. Sie konnte den Urin manchmal schlicht nicht mehr halten, weil der Schließmuskel zu schwach war.
Mein Selbstbewusstsein schwand
Die neue Situation veränderte meinen Alltag total. Ich arbeite, bin ein aktiver Mensch, habe einen großen Freundeskreis, unternehme viel. Genau diese Dinge sind es, die das Leben für mich ausmachen. Doch plötzlich wurde all das schwierig. Ständig habe ich mich gefragt: Warum funktioniere ich nicht mehr so, wie doch vermeintlich alle anderen? Habe ich etwas falsch gemacht? Mit einem Mal war die Leichtigkeit in meinem Leben komplett weg. Stattdessen befand ich mich in einem andauernden Alarmzustand.
Das Versteckspiel begann
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Das Versteckspiel begann
Ich wollte unbedingt verhindern, dass andere meine Inkontinenz bemerkten. Bevor ich irgendetwas unternahm, habe ich jedes Mal abgeklärt: Wo ist die nächste Toilette? Wie lange brauche ich bis dorthin? Und immer waren da die Zweifel – werde ich es rechtzeitig dorthin schaffen? Oft bin ich vorsorglich bereits zu Hause auf die Toilette gegangen. Auch nachts musste ich ständig aufstehen und zur Toilette rennen. Am nächsten Tag war ich natürlich entsprechend müde. Meine Nerven lagen blank, sodass ich nicht selten in Sekundenschnelle von 0 auf 180 war.
So konnte es nicht weitergehen
Mir war klar: So kann es nicht weitergehen! Ich habe all meinen Mut zusammengenommen und bin in Mannheim in ein so genanntes Inkontinenzzentrum gegangen. Dort wurde meine Blasenschwäche diagnostiziert. Eine Physiotherapeutin hat mir Übungen gezeigt, mit deren Hilfe ich meinen Beckenboden kräftigen konnte. Das fand ich super. Ich habe die Übungen regelmäßig gemacht. Leider haben sie in meinem Fall nicht den erhofften Erfolg gebracht. Nach einer Weile konnte ich den Moment des Wasserlassens zwar ein wenig herauszögern und ich hatte meine Blase wieder etwas besser im Griff, doch grundsätzlich war das Problem noch da. Das blieb es auch, egal, was ich sonst noch ausprobierte (zum Beispiel Beckenboden-Trainingskugeln). Vorlagen trug ich ohnehin immer bei mir, auch als stille Reserve in der Handtasche.
Eine Entscheidung mit Folgen
Nach Rücksprache mit meinem Arzt habe ich mich schließlich für eine OP entschieden, bei der mir ein TVT-Band eingesetzt wurde. Das ist eigentlich ein Routine-Eingriff. Bei mir ging er leider schief. Ich hatte enorme Schmerzen und konnte ein Bein nicht mehr bewegen. Also musste das Band gleich wieder entfernt werden. Ich habe den Arzt gewechselt und beim zweiten Mal hat dann alles funktioniert. Seither bin ich beschwerdefrei.
Ich habe viel gelernt
Natürlich sollte eine OP immer nur der letzte Schritt sein – aber für war es genau die richtige Entscheidung. Ich kann wieder alles machen, traue mir auch wieder lange Reisen zu und genieße mein Leben in vollen Zügen. Das Einzige, was ich bereue, ist, dass ich so lange geschwiegen und versucht habe, meine Belastungsinkontinenz zu verbergen, statt aktiv etwas gegen sie unternehmen. Rückblickend weiß ich heute, dass mir das nicht noch einmal passieren würde.
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Karin Pütz
Karin Pütz arbeitet als Journalistin und Autorin für verschiedene deutsche Verlage und Fernsehsender. Neben wissenschaftlich-medizinischen Fachbüchern, die in enger Zusammenarbeit mit Ärzten entstanden sind, hat sie Biografien (von Prominenten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens) sowie Kinderbücher veröffentlicht. Darüber hinaus verfügt sie über langjährige Erfahrung als Redakteurin im News-, Wissenschafts- und Magazinbereich.
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